Schwerpunkte + Methoden

Skoliosen und andere Wirbelsäulendeformitäten

Eine Skoliose ist eine Seitverbiegung der Wirbelsäule, die mit einer Rotation, einer Formveränderung der Wirbelkörper (Torsion) und einer Fehlstellung im seitlichen Wirbelsäulenaufbau einhergeht. Im Gegensatz zu einfachen Seitverbiegungen kann eine Skoliose nicht vollständig korrigiert werden.  Skoliosen können angeboren sein oder im Laufe des Wachstums entstehen und  treten bei  1 – 2 % der Bevölkerung auf.

Neben den Skoliosen gibt es Deformitäten, die den Seitaufbau der Wirbelsäule betreffen wie Kyphosen (Rundrücken) und Hyperlordosen (Hohlrücken).

Skoliosen und andere Wirbelsäulendeformitäten

Welche Ursachen für die Skoliose gibt es?

  • Die idiopathische Skoliose:
    Bei dieser häufigsten Skolioseform (80 %) ist die Ursache für die Deformierung  unbekannt.  Eine Unterteilung erfolgt  nach Altersgruppen in die infantile (early onset) Skoliose (0 - 3 Jahre), die juvenile Skoliose (4 – 10 Jahre) und die Adoleszentenskoliose (11 – 8 Jahre) als ihren häufigsten Vertreter.
  • Die kongenitale Skoliose:
    Ursächlich ist in diesen Fällen eine unvollständige Entwicklung der Wirbelkörper. Es können z. B. Halbwirbel oder Keilwirbel entstehen, die auf eine unvollständige Entwicklung der Wirbelsäule in der Frühschwangerschaft zurückzuführen sind.  Kongenitale Skoliosen sind mit einem Anteil von 3 – 5 % aller Skoliosen sehr selten.
  • Die neuromuskuläre Skoliose:
    Diese Skoliosen entstehen auf dem Boden einer neuromuskulären Grunderkrankung (z. B. spastische Muskelerkrankungen, Muskelathrophien, Muskeldystrophien, Myelomeningozelen) und stellen eine besondere Entität dar. Die Wirbelsäulenverkrümmung tritt mit Beginn der neuromuskulären Erkrankung oder in sehr frühem Lebensalter auf. Das  Risiko für eine Krümmungszunahme ist höher im Vergleich zu der idiopathischen Skoliose und die Skoliose nimmt  auch nach dem Wachstumsabschluß zu. Typisches Merkmal ist der Verlust der Wirbelsäulenbalance mit erheblichem Rumpfüberhang sowie konsekutiver Beckenkippung. Die Lungenfunktion ist in stärkerem Umfang als bei idiopathischen Skoliosen eingeschränkt. Auch andere Organsysteme sind betroffen (z.B. Kardiomyopathien, chronische Erkrankungen der ableitenden Harnwege).
  • Andere Skoliosen:
    Es existiert eine Vielzahl anderer Ursachen, die für die Entstehung einer Skoliose verantwortlich sein können. Beispiele dafür sind Tumoren, Entzündungen, Stoffwechselerkrankungen, andere neurologische Erkrankungen z.B. Neurofibromatosis Recklinghausen.

Wie erfolgt die Diagnose?

Wegweisend für die Diagnose ist eine körperliche Untersuchung, in der ein geübter Untersucher die Deformität erkennen kann. Äußerlich erkennbare Merkmale können sein:

  • ein Rippenbuckel bei Skoliosen der Brustwirbelsäule
  • ein Lendenwulst bei Skoliosen der Lendenwirbelsäule
  • ein verstrichenes Taillendreieck
  • ein asymmetrischer Schulterstand mit Schulterkochstand
  • eine Dysproportion zwischen verkürztem Rumpf und der Beinlänge
  • eine Deformierung des Brustkorbs
  • bei seitlicher Betrachtung eine fehlende Rundrückenbildung bei Brustwirbelsäulenskoliosen

Eine Röntgenuntersuchung der ganzen Wirbelsäule führt zur Bestätigung der Skoliose und muss im Stand durchgeführt werden. Auf diesen Aufnahmen wird eine exakte Vermessung von definierten Winkeln durchgeführt, die für die Therapie entscheidend sind.  Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind nach einer Diagnosestellung unbedingt einzuhalten, um bei Fortschreiten einer Deformität rechtzeitig eine Therapie einleiten zu können.

Wie erfolgt die Therapie?

Die richtige Therapie ist von sehr vielen Faktoren abhängig.  Entscheidend für eine Verschlechterung sind die Ursache der Krümmung und das Alter der meist weiblichen Patientinnen. Skoliosen verschlechtern sich während des größten Wachstumsschubes vor der Pubertät, der bei Mädchen etwa mit 10,5 Jahren mit dem beginnenden Wachstum der weiblichen Brust einsetzt und mit der ersten Regelblutung endet. Bei männlichen Patienten beginnt der Wachstumsschub mit dem Stimmbruch (ca. 13. Lebensjahr).

Weiter zu  berücksichtigen sind das bestehende  Ausmaß der Skoliose und die Lokalisation der Krümmung/der Krümmungen , die auch entscheidend für die Progredienz sind. Darum empfiehlt sich eine Beratung durch einen Spezialisten.

Das Spektrum der Therapieoptionen reicht von einer krankengymnastischen Übungsbehandlung über eine Korsettversorgung bis zu aufwändigen Korrekturoperationen. Das Ziel der konservativen Therapie ist dabei, ein Fortschreiten der Deformität zu verhindern. Ziel der operativen Therapie sind eine Korrektur der Skoliose und ein Stopp des Fehlwachstums.

In dem folgenden Abschnitt werden einige Methoden und ihre Indikationen kurz dargestellt.

  • Krankengymnastische Übungsbehandlung:
    Bei geringgradigen Verkrümmungen bis max. 20° wird diese für die Verbesserung des Muskelstatus empfohlen.
  • Korsettbehandlung:
    Bei zunehmendem Skoliosewinkel  von 20 - 40° erfolgt im Wachstumsalter in den meisten Fällen eine Korsettbehandlung. Das Korsett sollte von sehr erfahrenen Orthopädietechnikern angefertigt werden. Die größte Wirksamkeit der Orthese ergibt sich bei einer Tragezeit von mindestens 23 Std/Tag. Diese stellt für kleinere Kinder (9 – 11 Jahre) seltener ein Problem dar, während älteren Kindern in der Pubertät das konsequente Tragen des Korsetts manchmal schwer fällt. Letztlich hängt der Erfolg der Behandlung jedoch von der Tragedauer ab. Individuell ist, abhängig von vielen Faktoren, allerdings auch eine Anpassung des Therapieregimes möglich.
  • Wachstumslenkende Operationsverfahren: Magec Rod, VEPTR, Shilla, Tethering
    Diese Verfahren sind Operationen ohne Versteifung („non-Fusion-Verfahren“), die insbesondere für jüngere Kinder mit ausgeprägten „early onset“-Skoliosen entwickelt wurden, bei denen im Vergleich zu den Adoleszenten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung noch ein großes Restwachstum und somit ein Fortschreiten der Deformität zu erwarten ist. Alle wachstumslenkenden Verfahren werden im Lubinus Clinicum durchgeführt.  Inbesondere aber die Magec Rods als von außen innerhalb wenigen Sekunden magnetisch verlängerbare Stäbe haben den Vorteil, dass eine Wachstumslenkung über einen langen Zeitraum ohne weitere Operationen oder stationäre Aufenthalte für die Kinder möglich ist.
  • Halbwirbelresektion:
    Einer unser Schwerpunkte ist die Entfernung von Halbwirbeln, die zu einer kongenitalen Skoliose führen, mit anschließender Stabilisierung der Wirbelsäule durch eine möglichst kurzstreckige Spondylodese. Diese Eingriffe sind nicht zuletzt deshalb anspruchsvoll, da sie im Kleinkindalter (ca. ab dem zweiten Lebensjahr) durchgeführt werden müssen, um frühzeitig einer Zunahme der Wirbelsäulenverkrümmung entgegen zu wirken. Ziel der Halbwirbelentfernung ist es, eine Skolioseentstehung vollständig zu vermeiden.
  • Korrekturspondylodese ( Versteifung):
    Bei ausgeprägten Krümmungen oder solchen, die eine schnelle Verschlechterung zeigen, wird eine Operation durchgeführt. Die Wirbelsäule wird begradigt und z. B. durch ein Schrauben-Stab-System stabilisiert. Durch die Anlagerung von Knochenspänen im Bereich der korrigierten Wirbelabschnitte wird das erneute Auftreten einer Krümmung verhindert. Die Operationen können von hinten an der Wirbelsäule erfolgen (dorsaler Zugang), von vorne (ventraler Zugang durch den Bauch oder den Brustkorb) oder in seltenen Fällen auch kombiniert von hinten und vorne.  Wird die Indikation für eine operative Therapie gestellt, ist eine möglichst frühzeitige Therapie anzustreben, um die Länge des zu operierenden  Wirbelsäulenabschnittes so gering wie möglich zu halten.  
  • Neuromonitoring:
    Das Neuromonitoring  (Ableitung der Rückenmarkströme während der Operation) und die 3D-Navigation (dreidimensionale Darstellung der Wirbelsäule intraoperativ) sind in der Skoliosechirurgie zum Standard geworden.  Sie dienen der größtmöglichen Sicherheit unserer Patienten beim Einsetzen der Implantate und der Überwachung des Nervensystems während der Skolioseoperation.